im Februar 2015
Ein kleines Essay über Freiheit, Glück, Angst, Tod und Vorurteil
Kennst du den Tod? Hast Du ihm bereits die Hand geschüttelt, bist von ihm zum nächsten Spiel von Fortuna Düsseldorf eingeladen worden oder auf seine Finca nach Mallorca?
Du sitzt vor Deinem Laptop. Herrliches Wetter draussen, eigentlich solltest Du eine Spaziergang machen. uuuu ... später ... noch diese News lesen, noch jene ... Da, ein Schreck fährt Dir ins entschlafene Gesäß. “Jaaaaha, ich kooomme, wer ist denn da?”.. “Ich bin’s, der Tod.” Machst Du die Tür auf, wenn er Dich zu sich auf den Bürgersteig bittet?
Wollen wir wetten? Eher nicht, oder? Aber gestern, bei Schnee und Eis, da bist’e raus gegangen. Draussen stand Frau Ömmes mit ihrer kleinen Kackmaschine. Wie immer kläffte der Dich zickig an, wie immer zwackte der Dich in Deine Wade, während Frau Ömmes beruhigend den Satz der Sätze sprach - “der tut nix,” .. “der ist ganz harmlos ...” zischte es aus Deinem Rachen. “Och datt iss’ ganz harmlos, nu’ stellen se’ sich ma’ nicht so finzelig an. E’ bisken Jod drauf und Schnaps in’ne Kehle, un’ sie merken datt in drei Wöcksken nich’ mea.”
Gegenüber parkt Willi Riechenbiegel aus. Am Wochenende groß gefeiert. 90 Jahre, alles klar. Total fit. Sein 90er Benz schiesst rückwärts aus der Parklücke auf Dich zu, gekonnt hangelt’s Du Dich die Gaslaterne hoch, während er die Hürde Bordsteinkante überspringt. “Hä, sehen’ se ma’, zack, ist die Heckscheibe frei, ganz von selbst. Kommen Se’ mal da runter und suchen Sie mein Hörgerät unter de’ Pedale? Ich seh’ ja nix mehr, öööööö ;-) “ Er zwinkert mir schelmisch zu. “In meinem Alter fährt man nach Gefühl, Haben Se’ wieder den kleinen Süssen von’e Frau Ömmes geärgert oder weshalb stinkt das so nach feuchtem Hund an Ihrer Wade”. Gutes Riechen bringt beim Autofahren nicht so viel - leider..
Du atmest erleichter auf, alles relativ gut gegangen - wie immer.
Und Du gehst jeden Tag raus. Trotzdem.
So, und nun denke über den Tod nach. Da gehst Du nicht raus.
Stell’ Dir Folgendes vor:
Du stehst in der 40. Etage eines schmucken Hauses. AUSSER BETRIEB prangt in grossen Lettern an der Fahrstuhltür.
Du hast zwei Alternativen:
1) Treppe runterlaufen.
2) Aus dem Fenster springen.
Welche Entscheidung triffst Du? Was bieten Dir beide Möglichkeiten?
Bei Alternative 2) bist Du ziemlich sicher tot, wenn der morgige Tag anbricht. Mit diesen schönen Ergebnissen für Dich: Wir erinnern uns - Frau Ömmes und Herr Riechenbiegel. Dies beide wirst Du nie wieder ertragen müssen. Auch Dein Gesäß schläft mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr ein. Kein Ärger mit Deinem Chef, Deinen Kunden, Deinem Partner, Deinen Kindern. Nie wieder Schnupfen, Alkoholkater und eingewachsene Zehennägel. Nicht mehr Kochen, nicht mehr stundenlang am Check-In anstehen, keine Klimaanlage im Touribomber, keine Helene Fischer mehr auf Deiner Mattscheibe. Nie wieder Rasieren oder Epilieren, nie wieder Schwanger oder Impotent, Keine eingelaufenen Unterhosen und ungeputzten Fenster. Keine Schlange an der Kasse mehr, keine Sorge um Deine Rente, Deine Gesundheit, Deine grauen Haare und Falten. Botox ade.
Dazu bist DU ruckzuck unten, nicht völlig ermüdet vom Treppenabstieg. Du erlebst das, was 80% der Menschen wollen - fliegen. Tolles Kribbeln zwischen den Beinen, nicht wahr? :-)
Und - das ich versichere Dir - dieses Supergefühl bleibt bis so bis auf wenige Zentimeter vor dem Boden! Du wirst so glücklich sein - Du wirst johlen vor Freude, Dein ganzes restliches Leben - die letzten drei Zentimeter merkst DU garnicht mehr. Was machen die schon bei 40 Etagen aus? Jaja, nur die letzten Zentimeter sind kritisch! Muss man fairerweise sagen.
Was Du erlebst, bezeichnet man allgemein als Freiheit..
Und doch werden 99,9 % der Menschen Alternative 1), die Treppe, wählen. Obwohl sie die Mühsal des Abstiegs und ihres Lebens kennen, Frau Ömmes und Herr Riechenbiegel. Obwohl Alternative 2) formal zig Vorteile bietet und nur einen vermeintlichen Nachteil - den Tod.
Und warum?
Weil wir den Tod nicht kennen.
Jeder kennt das Essen bei Mecces, beschwert sich drüber - und geht trotzdem wieder hin. Doch noch niemand hat je erzählt - hey, ich war tot, war total blöd, super, warm, kalt, heiss, salzig, sexy, freudig, süss, sauer (Wortalternativen frei wählbar). Im Gegenteil, oder? Die bleiben ja scheinbar tot, wollen garnicht mehr ins Leben zurück.
Wir haben mehr Angst vor Freiheit als vor der bekannten Mühsal. Wir bauen Vorteile aus dem Mörtel ‘Angst’, klammern uns daran, und nehmen andererseits völlig idiotische Dinge und Lebensumstände in Kauf, vor denen wir nur deshalb keine Angst haben, weil wir sie kennen.
Ganz schön bescheuert, oder?
DAS kannst’e jetzt mal auf Dein Leben übertragen.
That’s it.
für den Augenblick ... später mehr :-)
robert hein 2015 ©
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